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Pensionskasse (BVG) und Scheidung - Vorsorgelücke
Gesetzliche Vorsorgelücke bei Pensionskasse (BVG) bei Scheidung mit Reform vom 01.01.2017
Aufgrund der Gesetzesreform per 1.1.2017 zum Vorsorgeausgleich bei Scheidung kommt es zu einer Vorsorgelücke, die vom Gesetzgeber wohl bewusst in Kauf genommen wird. Die Vorteile dieser Reform im Sinne einer klaren und einfachen Lösung stehen im Vordergrund, so in der Botschaft des Bundesrates.
Im Zuge der Reform zum Vorsorgeausgleich per 1.1.2017 hat der Gesetzgeber den Stichtag für die Abrechnung der Altersvorsorge bei einer Scheidung vorverlegt. Bisher wurde die während der Ehe geäufnete berufliche Vorsorge erst im Zeitpunkt der Rechtskraft des Scheidungsurteils geteilt, nun bereits schon im Zeitpunkt der Einleitung des Scheidungsverfahrens (durch Scheidungsklage oder gemeinsames Scheidungsbegehren).
Im Wesentlichen hat der Bundesrat in der Botschaft diese Vorverlegung des Abrechnungsstichtages damit begründet, dass die bisherige Regelung zum „Taktieren“ verleite. Immerhin konnte der berechtigte Ehegatte das Scheidungsverfahren in die Länge ziehen, um weiterhin von der Teilungsmasse des anderen Ehegatten zu profitieren. Dieses Vorgehen ist nun nicht mehr möglich.
Allerdings ergibt sich nun aufgrund dieser Neuregelung eine Vorsorgelücke, die zu heftiger Kritik Anlass gibt. Die Situation ist Folgende:
Aufgrund der Vorverlagerung des Sichtages entsteht eine Vorsorgelücke zwischen der Einleitung des Scheidungsverfahrens und der Rechtskraft des Scheidungsurteils. Die Idee, diese Lücke zu schliessen, indem nicht erst beim nachehelichen Unterhalt, sondern bereits während des Scheidungsverfahrens im Rahmen der vorsorglichen Massnahmen ein sog. Vorsorgeunterhalt zugesprochen wird, hat das Bundesgericht in seinem Entscheid vom 9.1.2019 (BG 5A_14/2019) nicht für gutgeheissen. Das Bundesgericht stützt diesen Entscheid auf folgenden rechtlichen Aspekt:
Der nacheheliche Unterhalt (Unterhalt ab der Rechtskraft des Scheidungsurteils) im Sinne des Art. 125 ZGB schliesst neben dem Verbrauchsunterhalt auch ausdrücklich den Vorsorgeunterhalt mit ein, mit welchem ehebedingte Lücken in der Altersvorsorge ausgeglichen werden sollen (Bsp.: Aufgrund der Kinderbetreuung ging ein Elternteil ganz oder teilweise keiner eigenen Erwerbstätigkeit nach). Der eheliche Unterhalt (Unterhalt bis zur Rechtskraft des Scheidungsurteils) dagegen in Art. 163 ZGB sieht keinen Vorsorgeunterhalt vor. Da bisher keine Lücken bei der Altersvorsorge entstehen konnten, war eine Modifikation dieser Norm auch nicht nötig. Der Gesetzgeber hat auch im Zuge der Reform vom 1.1.2017 keine Anpassungen in Art. 163 ZGB vorgenommen, obwohl ihm die Auswirkungen der Reform bekannt waren. Damit ist von einem bewussten Entscheid für die Vorsorgelücke auszugehen, so das Bundesgericht.
Aus der Sicht des Gesetzgebers ist diese Vorsorgelücke zugunsten einer einfachen und klaren Lösung (Teilungszeitpunkt ist klar bestimmt), zur Verhinderung von Verzögerungstaktiken im Scheidungsverfahren und mit Blick auf eine Übereinstimmung mit dem Zeitpunkt zur güterrechtlichen Auseinandersetzung in Kauf zu nehmen.
Dieser Entscheid des Bundesgerichts wird in der Lehre heftig diskutiert. Es stellt sich die Frage, ob dieses Ergebnis sachgerecht ist und ob ein anderweitiger Ausgleich zur „Nachfinanzierung der Vorsorgelücke“ geschaffen werden kann. Beispielsweise durch eine überhälftige Teilung des Vorsorgeguthabens zugunsten des benachteiligten Ehegatten oder durch eine Einbeziehung dieser Lücke in den Vorsorgeunterhalt beim nachehelichen Unterhalt. Es bleibt abzuwarten, ob und wenn ja wie sich diese Überlegungen in der Praxis einpendeln werden.