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BLOG UND FACHARTIKEL
Unfall - wer ist wann wofür zuständig?
Auszug aus Newsletter 2011 (Bulletin)
Wir möchten an dieser Stelle kurz und pragmatisch darstellen, worin nach unserer Ansicht und nach unserer Erfahrung bei den verschiedenen beteiligten Akteuren die Hauptaufgaben liegen, die anfallen, nachdem jemand einen Unfall erlitten hat. Das gemeinsame Ziel sollte dabei selbstverständlich sein, dass die verunfallte Person möglichst vollständig und möglichst schnell wieder die volle Fähigkeit zurückgewinnt, ihren Lebensunterhalt selber zu verdienen und im Haushalt tätig zu sein. Hier soll es nicht um die leichten Unfälle, wie den einfachen Beinbruch beim Grümpelturnier, gehen, sondern um die Fälle, in denen durch Verletzungen wegen eines Unfalles eine längere Arbeitsunfähigkeit zu erwarten ist und in denen die Heilung nicht ohne Weiteres vollständig sein wird. In einer solchen Situation sind die verunfallte Person, ihr familiäres Umfeld, der oder die behandelnden Ärzte, der Arbeitgeber, die Versicherungen und der beigezogene Anwalt besonders gefordert.
Erste Massnahmen bei einem Unfall
Wenn ein Unfall mit Personenschaden passiert, ist es wichtig, dass der Unfallhergang und die Verletzungen möglichst zeitnah und vollständig festgestellt und dokumentiert werden. Sonst können erhebliche Beweisschwierigkeiten entstehen, die später nicht mehr behoben werden können. Deshalb ist beim geringsten Zweifel der Beizug der Polizei unbedingt zu empfehlen, bei einem Strassenverkehrsunfall ist dies sogar eine gesetzliche Pflicht. Die Polizei hat die Aufgabe, den Sachverhalt aufzuzeichnen und sogleich erste Befragungen der Beteiligten und allfälliger Zeugen vorzunehmen. Die verletzte Person sollte innerhalb der nächsten Stunden den Arzt aufsuchen und vollständig schildern, wie der Unfall geschehen ist und wo die Beeinträchtigungen liegen. Vollständig bedeutet in diesem Fall, dass neben allfälligen offensichtlichen Verletzungen auch auf leichtere Prellungen oder Schmerzen bzw. Missempfindungen hingewiesen wird.
Wichtige Rolle des Arbeitgebers
Während der Heilungsphase ist es sehr zu empfehlen, dass der oder die Verunfallte regelmässig den Kontakt zum Arbeitgebersucht und ihn auch über den Verlauf informiert. Der Arbeitgeber hat nämlich oftmals eine Schlüsselrolle darin, ob eine Wiedereingliederung gut gelingt oder nicht. Es gilt folgende Regel: Je früher jemand seine Arbeit wiederaufnimmt, und sei es auch nur teilweise, desto besser gelingt der Wiedereinstieg. Deshalb darf der Verunfallte sofern möglich nicht warten, bis er wieder hundertprozentig fit ist, sondern er sollte bereits mit einem Teilpensum wieder anfangen zu arbeiten oder dies zumindest versuchen. Dazu braucht es auf der anderen Seite den Arbeitgeber, der bereit ist, sich darauf einzulassen. Dies ist leider nicht selbstverständlich. Um trotz bestehender Beeinträchtigungen wieder anzufangen, braucht es eine hoffnungsvolle Zuversicht der Betroffenen.
Eine interessante Studie hat dazu Folgendes ergeben: Verunfallte wurden kurz nach dem Ereignis befragt, ob sie der Meinung sind, dass der Unfall schwer oder leicht war und ob sie denken, dass sie bald wieder die Arbeit aufnehmen können oder ob dies eher lange nicht möglich sein würde. Es wurde danach festgestellt, dass unabhängig davon, ob der Unfall objektiv schwer bzw. leicht war, bei denjenigen, die überzeugt waren, bald wieder arbeiten zu können, dies auch in vielen Fällen so eintrat. Bei denjenigen, die pessimistisch eingestelltwaren, dauerte es dagegen in den meisten Fällen viel länger, bis sie wieder soweit waren.
Der bisherige Arbeitgeber hat neben der betroffenen Person möglicherweise den grössten Anteil an einer erfolgreichen Wiedereingliederung. Wenn die Beziehung zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer stimmt und gegenseitiges Vertrauen vorhanden ist, kann darauf aufbauend der Wiedereinstieg erfolgen. Der Arbeitgeber sollte bereit sein, den verunfallten Arbeitnehmer anfangsauch bloss teilzeitlich zu beschäftigen, und er sollte ungeplante Absenzen tolerieren können. Aus einer vorhandenen Arbeitsstelle heraus aufzubauen ist selbstverständlich viel einfacher, als wenn ein neuer Arbeitgeber gesucht und von Null angefangen werden muss.
Der behandelnde Arzt hat natürlich den Betroffenen medizinisch zu behandeln und gegebenenfalls die richtigen Spezialisten beizuziehen. Er wird auch regelmässig Berichte an verschiedene Versicherungen schreiben müssen. Was unseres Erachtens sinnvoll sein kann, ist, dass der Arzt den Patienten realistisch darüber aufklärt, was in seinen Möglichkeiten liegt und wo die Grenzen der gezielten Behandelbarkeit eines bestehenden Leidens liegen. Denjenigen Patienten, die gewillt sind, sich der Realität zu stellen, wird dies eine Hilfe sein.
Gleichzeitige Zuständigkeit mehrere Versicherungen
Bei einem komplexen Unfall mit länger andauernden Folgen sind verschiedene Versicherungen involviert. Als erstes kommt regelmässig die Unfallversicherung auf den Plan. Deren Aufgaben und Leistungen werden eingehend in einem anderen Artikel dieses Bulletins beschrieben. Im Falle eines Drittverschuldens ist die entsprechende Haftpflichtversicherung zu aktivieren. Dazu kommt bereits bei einer Arbeitsunfähigkeit von wenigen Wochen die Invalidenversicherung. Je nach dem folgen die Arbeitslosenkasse, die Krankentaggeldversicherung und die Pensionskasse. In der Regel übernimmt eine Versicherung die Leitung (entweder die Unfallversicherung, die Haftpflichtversicherung oder die IV). Neben der Übernahme des Lohnausfalles und der Heilungskosten sollte die Versicherung mithelfen, einen Plan zur Wiedereingliederung zu entwickeln und durchzuführen. Dabei ist es oft das Naheliegendste, dass der Kontakt mit dem Arbeitgeber gesucht wird. Es gilt, gemeinsam Wege zu suchen, wie der Arbeitnehmer die Arbeit wieder aufnehmen kann oder in welche Richtung eine Umschulung gehen sollte.
Anwalt als fachliche Kontrollinstanz
Die Rolle des Anwaltes ist es, am Anfang sicher zu stellen, dass alle Versicherungen, insbesondere auch die Haftpflichtversicherung, tatsächlich hinzugezogen werden. Manchmal ist esauch nötig, die Versicherungen an ihre Aufgaben zu erinnern. Wegen des besonderen Vertrauensverhältnisses kennt der Anwalt den Betroffenen oft besser als die Versicherungen. Ähnlich wie bereits beim Arzt beschrieben hat auch der Anwalt die Aufgabe, seinen Klienten auf die Grenzen der Möglichkeiten der Versicherungen oder der Ansprüche gegen Versicherungen hinzuweisen. Es ist fatal, wenn der Klient über lange Zeit damit rechnet, dass ihn ein Netz von Versicherungen tragen wird, dies in Tat und Wahrheit realistischerweise aber nicht der Fall sein wird. So ginge wertvolle Zeit verloren, die der Mandant braucht, um sich auf eine veränderte Situation einzustellen. Im weiteren Verlauf des Mandates geht es darum sicherzustellen, dass berechtigte Ansprüche auf finanzielle Leistungen wie Erwerbs-, Schadenersatz und Schmerzensgeld, aber auch auf medizinische Massnahmen oder Umschulungen, tatsächlich erbracht werden. In der ganzen Mandatsbeziehung ist zentral, dass der Mandant einen Anwalt seines Vertrauens an der Seite weiss, der ihm mit seiner Erfahrung erklären kann, was vor sich geht oder vor sich gehen sollte. Dazu ist der Anwalt auch Kontrollinstanz, der mit fachlicher Kompetenz den komplizierten und für Laien oft fast undurchschaubaren Prozess begleitet und im Bedarfsfall für seinen Mandanten konsequent intervenieren kann.
Aus Sicht aller Beteiligten machen natürlich diejenigen Fälle besondere Freude, in denen eine verunfallte Person ihren Platz in der Arbeitswelt wiederfindet und / oder in denen eine betroffene Person nach einem gravierenden Unfallereignis wieder eine positive Lebensperspektive entwickeln kann. Wenn dies nicht vollständig gelingt, hofft man, doch zumindest einen hilfreichen Beitrag zur Verbesserung der Lebenssituation und zur Neuorientierung geleistet zu haben.