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Scheidungsvertrag schon vor der Heirat möglich?
Unterschied Ehevertrag – Scheidungsvereinbarung
Der Ehevertrag und die Scheidungsvereinbarung sind grundsätzlich zwei verschiedene Paar Stiefel. Sie gehen von unterschiedlichen Perspektiven des Regelungsbedarfs aus:
Im Ehevertrag, der ohne Scheidungswillen geschlossen wird, können Sie den gesetzlichen Güterstand der Errungenschaftsbeteiligung (während der Ehe erworbene Vermögenswerte sind hälftig zu teilen) abändern und damit die Aufteilung der Vermögenswerte modifizieren. Der Ehevertrag kann vor oder während der Ehe abgeschlossen werden und wird mit der notariellen Beglaubigung wirksam.
Im Rahmen einer Scheidungsvereinbarung einigen sich die Noch-Eheleute bei vorhandenem Scheidungswillen darüber, zu welchen Bedingungen die Scheidung erfolgen soll. Es steht allenfalls eine Klärung der Kinderbelange, des nachehelichen Unterhalts, der Vermögensaufteilung (möglicherweise auf der Grundlage eines Ehevertrages) und der Altersvorsorge an. Die Wirksamkeit dieser Vereinbarung ist an die gerichtliche Genehmigung gebunden.
Bisherige Rechtsprechung
Bis anhin konnten Eheleute ohne Scheidungswillen keine rechtsverbindlichen Regelungen für den Fall der Scheidung im Voraus treffen. Diese wurden erst rechtsgültig, wenn das Gericht sie genehmigt. Damit entfaltete die allein von den Eheleuten unterzeichnete Scheidungsvereinbarung noch keine Rechtswirkung.
Neue Rechtsprechung
Das Bundesgericht hat nun im Entscheid vom 23. August 2019 (5a_778/2018) diese bisherige Rechtsprechung geändert und festgestellt, dass sich Ehegatten bereits im Voraus, also ohne Scheidungswillen und ohne hängiges Scheidungsverfahren, über den nachehelichen Unterhalt verbindlich einigen können.
Das Bundesgericht hat in dem oben zitierten Entscheid ausgeführt, dass nun die Parteien vor Abschluss der Ehe oder Eheleute auch ohne Scheidungsabsicht hinsichtlich des nachehelichen Unterhalts und des Vorsorgeausgleichs wohl formlos (!) eine verbindliche Einigung treffen können. Sofern es dann zur Scheidung kommt, prüft das Gericht nur noch, ob die Vereinbarung damals (im Zeitpunkt der Unterzeichnung) dem freien Willen der Parteien entsprochen hat, ob sie klar und vollständig und - bezogen auf die aktuellen wirtschaftlichen Verhältnisse - nicht offensichtlich unangemessen ist. Sind sich die Eheleute also bei Scheidung weiterhin über die ursprüngliche Regelung einig und ist sie nach Auffassung des Gerichts nicht offensichtlich unangemessen, wird das Gericht diese Vereinbarung genehmigen. Will jedoch einer der Eheleute (oder beide) nicht mehr an der damaligen Vereinbarung festhalten, prüft das Gericht unter Berücksichtigung der finanziellen Verhältnisse im Zeitpunkt der Scheidung den nachehelichen Unterhalt bzw. den Vorsorgeausgleich (per Einreichung des Scheidungsgesuchs).
Das Bundesgericht begründet diesen neuen Standpunkt mit der Vertragsfreiheit und damit, dass keine Regelung zum Verbot einer solchen „Scheidungsvereinbarung auf Vorrat“ bestehe. Selbst eine bestimmte Form (notarielle Beglaubigung) dieser Vereinbarung soll nicht nötig sein. Offen und unklar bleibt, warum bei der Regelung zum Güterstand im Rahmen eines Ehevertrages die notarielle Beurkundung Wirksamkeitsvoraussetzung ist, dagegen die Regelung zum nachehelichen Unterhalt und zum Vorsorgeausgleich formlos wirksam ist.
Fazit
Neuerdings haben also gemäss Bundesgericht die Parteien vor oder während der Ehe die Möglichkeit, in „guten Zeiten“ Regelungen zum Unterhalt und Vorsorgeausgleich für den Scheidungsfall zu treffen. Urkundspersonen müssen damit künftig mit den Parteien besprechen, ob nicht nur der Güterstand, sondern auch der Unterhalt und der Vorsorgeausgleich im Scheidungsfall geregelt werden soll. Bis sich diese Rechtsprechung in der Praxis bewährt hat bzw. bis sich gezeigt hat, wie streng die Gericht bei der Genehmigung der Scheidungsvereinbarung vorgehen, ist Vorsicht geboten: Es ist empfehlenswert, diese Vereinbarungen zum Unterhalt und Vorsorgeausgleich zunächst im Ehevertrag mit notarieller Beurkundung festzuhalten.