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Geschiedene Mutter zieht weg, trotz gemeinsamer Sorge. - Darf der Vater mitreden?

2018-02-13 17:48:00

1. Gesetzesänderung

Am 1.7.2014 trat das neue Sorgerecht in Kraft. Die gemeinsame elterliche Sorge wurde zum Regelfall erklärt, unabhängig davon, ob die Eltern unverheiratet, geschieden oder getrennt sind. Die elterliche Sorge soll nun auch das Recht einschliessen, den Aufenthaltsort des Kindes zu bestimmen.

Dies bedeutet: Beabsichtigt ein Elternteil mit dem Kind wegzuziehen, bedarf es unter bestimmten Umständen der Zustimmung des anderen Elternteils. Die Zustimmung ist konkret dann erforderlich, wenn der Wechsel des Aufenthaltsortes innerhalb der Schweiz erhebliche Auswirkungen auf die elterliche Sorge oder den persönlichen Verkehr mit dem anderen Elternteil hat. Erfolgt der Umzug ins Ausland, selbst wenn der neue Wohnort nur 1 km über der Landesgrenze liegt, ist immer eine Zustimmung erforderlich. Der gesetzliche Hintergrund liegt darin, dass mit Blick auf die Kinderbelange dann ausländisches Recht anwendbar und ein anderes Gericht oder eine andere Behörde zuständig ist.

2. Zustimmung eines Elternteils

Bei der Erteilung der Zustimmung durch den anderen Elternteil ist auf Folgendes zu achten:

Es ist von Vorteil, die Zustimmung vor dem Wegzug schriftlich einzuholen. Es sollte vorher besprochen werden, welche Veränderungen der Wegzug mit sich bringt und wie mit diesen umgegangen wird. Häufig stellen sich die Fragen, wer holt und bringt das Kind z.B. an den Besuchswochenenden und wer trägt die Fahrtkosten. Vom Grundsatz, der besuchsberechtigte Elternteil holt das Kind, bringt es wieder und übernimmt die besuchsbedingten Fahrtkosten, wird mehr und mehr abgewichen. Gerichtsentscheide sprechen davon, die Hol- und Bringdienste aus kindespsychologischer Sicht zu betrachten. Das Kind sollte jeweils von dem Elternteil gebracht werden sollte, bei dem es sich gerade aufhält. Auch die Verteilung der Fahrtkosten ist neu zu überdenken. Der Umzugswillige sollte für den Mehraufwand des anderen Elternteils einstehen.

3. Zustimmung durch die Kindesbehörde oder das Gericht

Können sich die Eltern nicht einigen, muss ein Entscheid der Kindesbehörde oder des Gerichts ergehen. Die einzig relevante Frage bei der Prüfung der Zustimmung lautet:

Ist es für das Kind vorteilhafter mit dem umzugswilligen Elternteil zu gehen oder beim zurückbleibenden Elternteil zu bleiben? Ist letzteres der Fall, kann es zu einer Neuzuteilung der Obhut kommen. Gemäss Bundesgericht spielen dabei Aspekte wie das bisherige Betreuungsmodell, das Alter des Kindes oder die wichtigere Bezugsperson des Kindes im Einzelfall eine grosse Rolle. Das Wohl des Kindes hat oberste Priorität. Die Motive des wegziehenden Elternteils sind nicht zu bewerten. Sollten die Gründe für den Wegzug jedoch völlig aus der Luft gegriffen sein, so ist die Erziehungsfähigkeit dieses Elternteils zu prüfen. Ein Obhutswechsel könnte die Folge sein.

4. Fazit für die eingangs gestellte Frage?

Ja, der Vater darf grundsätzlich mitreden! Die räumliche Entfernung von Kreuzlingen nach Genf ist so gross, dass die Ausübung des Besuchsrechts nur erschwert möglich ist. Er dürfte aufgrund des Auslandsbezugs auch dann mitreden, wenn der Umzug nach Konstanz erfolgt. Dennoch ist Vorsicht geboten: Das Bundesgericht stellt klar, dass es keine pauschalen Antworten gibt, der Einzelfall und das Wohl des Kindes sind massgeblich.