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IV-Rente - EIN Prozent kann alles entscheiden

2025-04-22 09:22:00

39 % IV-Grad - darum keine Rente? Warum ein sogenannter Leidensabzug entscheidend sein kann, insbesondere seit 01. Januar 2024.

Sachverhalt:

Die Hürde für eine IV-Rente liegt bei einer aus gesundheitlichen Gründen eingeschränkten Erwerbsfähigkeit von 40% des möglichen Verdienstes der gesunden Person.

Im März 2025 hat das Bundesgericht einen Fall beurteilt (Urteil 8C_103/2024 vom 4. März 2025), in dem ein Versicherter bei einem festgestellten Invaliditätsgrad von 39 % keine IV-Rente erhält. Ist dieses eine Prozent zu 40% tatsächlich entscheidend?

Der Mann leidet unter körperlichen und psychischen Problemen, die seine Arbeitsfähigkeit einschränken. Doch laut Gericht kann er in vielen einfachen Tätigkeiten mit einem Teilzeitpensum noch arbeiten. Dass eine Teilerwerbstätigkeit schlechter bezahlt ist, als eine Vollzeittätigkeit wurde ihm nicht lohnmindernd angerechnet.

Warum kein Leidensabzug?

Der sogenannte "Leidensabzug" ist eine Korrektur beim Einkommen, das man trotz Behinderung theoretisch verdienen könnte. Er wird gewährt, wenn jemand seine Restarbeitsfähigkeit nur unter erschwerten Bedingungen verwerten kann - etwa bei schweren psychischen Belastungen, sprachlichen Hürden oder Einschränkungen in der Auswahl an Jobs.

In diesem Fall jedoch befand das Gericht, dass:

  • die Einschränkungen im üblichen Arbeitsmarkt ausreichend aufgefangen werden können,
  • die medizinisch attestierte 60 % Arbeitsfähigkeit bereits genügend tief angesetzt ist,
  • keine zusätzlichen Faktoren wie z. B. tiefes Bildungsniveau oder ausgeprägte soziale Hürden geltend gemacht wurden.

Das Ergebnis:

Trotz nur 60 % Arbeitsfähigkeit ergibt sich ein IV-Grad von lediglich 39 %. Das, weil der Vergleich zwischen dem (tiefen) Einkommen ohne Behinderung und dem statistischen Lohn mit Behinderung ungünstig ausfällt. Wäre ein Leidensabzug gewährt worden, der zwischen 5 und 25 % betragen kann, wäre das Resultat anders ausgfallen.

Können wir dennoch etwas Positives ableiten?

So enttäuschend das Ergebnis für den Versicherten sein mag - das Urteil zeigt auch, wo genau die Schwelle liegt und welche Details entscheidend sein können:

Arbeitsfähigkeit ist nicht alles:
Entscheidend ist, ob und wie diese Fähigkeit verwertet werden kann. Wer Mühe hat, eine Stelle zu finden oder seine Leistung am Arbeitsplatz einzubringen, sollte dies frühzeitig mit konkreten Beispielen dokumentieren.

Leidensabzug gut begründen:
Ein Leidensabzug ist möglich - aber er braucht gute Argumente. Fachliche Stellungnahmen, Arbeitsversuche, Integrationsbemühungen oder soziale Hürden können den Ausschlag geben.

Manchmal hilft ein zweiter Blick:
Das Bundesgericht hatte den Fall zuvor schon einmal zurückgewiesen und zur genaueren Abklärung verpflichtet. Das zeigt: Wer sich sachlich, beharrlich und mit klarer Begründung einsetzt, hat Chancen auf Gehör -auch bei knappen Entscheidungen.

Manche Pensionskassen zahlen schon ab 25 % eine Rente:
Der Mann stand zu Beginn seiner Arbeitsunfähigkeit in einem Arbeitsverhältnis und war auch bei der Pensionskasse gegen Invalidität versichert. Möglicherweise war er überobligatorisch schon ab 25 % Invalidität abgedeckt und kann daher eine 39 %-Rente beantragen.

WICHTIG!

Ab 1. Januar 2024 gilt ein pauschaler Leidensabzug von 10 %:
Wenn - wie hier - eine Rente wegen fehlendem Leidensabzug abgelehnt wurde, kann bei der IV eine Neuanmeldung, mit Antrag auf Prüfung mit dem Pauschalabzug, gestellt werden!