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Invalidität bei psychischen Erkrankungen – Theorie und Praxis

2018-06-05 14:40:00

Sozialversicherungsrechtstagung 2018, Universität St. Gallen, Luzern 05.06.2018

Brennpunkte in der sozialversicherungsrechtlichen Rechtsprechung

Isabelle Hoop, lic. Iur., Leiterin Rechtsdienst IV-Stelle Zürich

Ein Grossteil der IV-Anmeldungen betreffen psychische Erkrankungen. Dies ist nicht zuletzt ein potentiell enorm grosser Kostenfaktor für alle Sozialversicherungen. Schliesslich geht es um teure Zusprache von Renten der IV oder der Unfallversicherung, Umschulungen, etc. Der sozialversicherungsrechtliche Umgang mit diesem Phänomen ist ebenso herausfordernd.

In ATSG Art. 7 wird die Erwerbsunfähigkeit definiert. Es besteht viel Raum für subjektive Einschätzungen bezüglich der einschränkenden Kriterien: was ist zumutbare Behandlung, was ein eine zumutbare Eingliederung, welche Folgen sind «gesundheitliche Beeinträchtigungen», und wann ist eine gesundheitliche Einschränkung «objektiv» nicht überwindbar? – Offensichtlich besteht hier viel Raum für gute oder weniger gut nachvollziehbare, bzw. voraussehbare Begründungen.

Das Problem ist, das die menschliche Psyche nicht wie ein mechanisches Uhrwerk funktioniert. Objektive Aussagen oder gar Voraussagen in die Zukunft lassen sich im konkreten Einzelfall eben kaum machen. Die rechtsanwendenden Behörden, notabene Juristen und keine Mediziner, mühen sich mit komplizierten Konstruktionen ab, um Leitlinien zur Beurteilung solcher Sachverhalte heraus zu arbeiten. Der Bundesgerichtsentscheid BGE 143 V 418 definiert ein Raster als sogenanntes «strukturiertes Beweisverfahren». Allerdings ist das auch hier kein «Apparat» mit objektiven Ja/Nein-Kriterien. Der resultierende Entscheid ist offensichtlich auch mit Blick auf die sich rasch leerenden Kassen geleitet. Womit der Bezug zu den einleitenden Sätzen hergestellt ist.