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Corona-Virus: Kinder und Besuchsrecht geschiedener Eltern? (Stand: 25.03.2020)

2020-03-26 10:35:00

Corona-Virus: Auswirkungen auf das Besuchsrecht zwischen Kindern und geschiedenen Eltern? (Stand: 25.03.2020)

Das Corona-Virus hat längst auch auf die Schweiz vereinnahmt und das öffentliche Leben erfolgreich lahmgelegt. Die vom Bundesrat angeordneten Massnahmen, wie die Schliessung von Schulen, Geschäften, Restaurants und Behörden führen uns die Ernsthaftigkeit der aktuellen Situation deutlich spürbar vor Augen. Auch die Justiz ist betroffen. Der Bundesrat hat von seiner Kompetenz Gebrauch gemacht, den Beginn der Gerichtsferien im Zivil- und Verwaltungsverfahren bereits auf den 21.03.2020 und den Beginn der Betreibungsferien auf den 19.03.2020 vorzuverlegen. Beide Fristen enden planmässig am 19.04.2020. Diese Massnahmen dienen einerseits dazu, den zwischenmenschlichen Kontakt vor Gericht zu vermeiden und andererseits die Schweizer Wirtschaft durch das Aussetzen von Betreibungen zu entlasten.

Aber auch der private Bereich wird in dieser Krise nicht verschont. Damit stellen sich häufig Fragen aus dem Familienrecht, wie z.B., wie sieht in diesen Coronazeiten bei Scheidungen das Besuchsrecht zwischen dem Kind und dem getrennt lebenden Elternteil aus?

Die Politik bringt das Schlagwort „social distancing“ ins Spiel – Vermeidung sozialer Kontakte. Ausfluss dieser Marschroute ist z.B. die Anordnung der St. Galler Regierung, das Besuchsrecht in den Spitälern massiv einzuschränken und nur in Ausnahmefällen zuzulassen. Bis heute ist in der Schweiz noch keine Verordnung ergangen, die den Kontakt von Scheidungs- und Trennungskindern zum nicht betreuenden Elternteil regelt. Österreich hat diesbezüglich klar geregelt, dass diese Kinder im Haushalt des betreuenden Elternteils wegen Corona bleiben sollen und den anderen Elternteil weder besuchen noch von diesem besucht werden dürfen. Der Kontakt soll über Telefon, Skype etc. aufrechterhalten werden. Diese beiden Massnahmen zeigen den restriktiven Trend im gegenseitigen Umgang und die Umsetzung des „social distancing“.

Zur Problematik, ob aktuell ein physischer Kontakt zwischen dem Kind und dem nicht hauptbetreuenden Elternteil, so wie er in der Scheidungskonvention vereinbart ist, stattfinden soll, gibt es naturgemäss noch keine Gerichtsentscheide.

Damit sind momentan einzelfallbezogene Lösungen zu finden, wobei wie imer bei Scheidungen von Ehen mit Kindern das Kindeswohl im Mittelpunkt stehen soll. Leidet der besuchsberechtigte Elternteil zurzeit an leichten Erkältungssyptomen und ist der hauptbetreuuende Elternteil verunsichert, da er natürlich eine Infektion des Kindes verhindern möchte, ist eine Güterabwägung vorzunehmen. Der geschiedene Vater möchte einerseits sein Kind sehen, die Mutter möchte die Ansteckungsgefahr für das Kind vermeiden. Beide Interessen sind nachvollziehbar.

Blickt man zurück, wie Gerichte ähnliche Konstellationen (im weiteren Sinne!) geschiedener Ehen beurteilt haben, so ist die Situation rechtlich wohl so zu beurteilen, dass es dem Vater zumindest für einige wenige Wochen zuzumuten ist, sein Besuchsrecht nicht auszuüben und in dieser Zeit auf Telefonate, Skype o.ä. auszuweichen, um mit dem Kind in Kontakt zu bleiben. Ein Ausschluss des Besuchsrechts kann, so das OG Zürich im Zusammenhang mit Tuberkulose, angezeigt sein, wenn der Besuchsberechtigte an einer ansteckenden Krankheit leidet, ohne dass es möglich ist, das Kind vor einer Ansteckung zu schützen. Zwar ist auch eine Ansteckung im normalen Familienleben möglich. Dennoch erscheint es uns erforderlich, die Konstellation, in der das Kind den eigenen Haushalt verlässt, im Einzelfall abzuwägen und zu prüfen, ob das Ansteckungsrisiko des Kindes gegenüber dem Recht des Kindes, Kontakt mit dem Vater zu haben, Vorrang hat. Sofern das Besuchsrecht jedoch viele Wochen nicht ausgeübt werden kann, besteht in prekären Fällen die Gefahr, dass ein Elternteil nach der Scheidung diese Situation ausnutzt, um gezielt den Kontakt zu unterbinden. Dies entspricht sicher nicht dem Kindeswohl.

Befindet sich das Kind in Quarantäne, muss diese selbstverständlich befolgt werden. Dies führt zum vorübergehenden Ausschluss des Besuchsrechts. Im Ergebnis vergleichbar ist wohl die Konstellation, in der der Vater sich aufgrund der Coronakrise weigert, das Kind zu sich zu nehmen.

Eine Einigung unter den Eltern zur Handhabung des Besuchsrechts ist in diesen Zeiten mehr denn je wünschenswert. Augenmass und Vernunft sind gefragt, da eine streitige Auseinandersetzung bei Gericht oder der Kindes- und Erwachsenenschutzbehörde derzeit schwierig ist. Sofern keine akute Kindeswohlgefährdung vorliegt, werden diese Institutionen zur Zeit wohl eher nicht tätig. Bereits angesetzte Verhandlungen wurden abgesagt.

Gerade in einer solchen Ausnahmesituation ist es mehr denn je angezeigt, dass beide Elternteile Verständnis dafür aufbringen und bezüglich der Kinder zusammenspannen. Dem Kind sollten Telefon- oder Videokontakte zum anderen Elternteil ermöglicht werden diese sind zu unterstützen. Das ist eine vernünftige Massnahme, um einerseits, wie vom Bundesrat gefordert, soziale Kontakte zu unterbinden, andererseits aber auch den Kontakt zum anderen Elternteil fortzuführen, eben anders. Denn: Diese Ausnahmesituation wird uns noch einige Wochen, vielleicht noch länger beschäftigen. In dieser Zeit muss der Kontakt zum anderen Elternteil soweit wie möglich, zur Not auch nur digital, aufrechterhalten bleiben.