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Ein Tag leichte Probe-Arbeit soll Betrug sein? Ja sagt das Bundesgericht

2025-05-07 12:24:00

Fallgeschichte

Ein Arzt war zu 100 % krankgeschrieben und bezog Krankentaggeld. Am Samstag vor dem Montag, ab dem er wieder arbeitsfähig geschrieben war, behandelte er bereits kurz einen Patienten. Seine Leistung entsprach einer Arbeitsfähigkeit von lediglich 10 %. Dieser Sachverhalt wurde zum Dreh- und Angelpunkt eines jahrelangen Rechtsstreits um Krankentaggelder. Das Bundesgericht bestätigte in seinem Urteil vom 26. Februar 2024 die Rückforderung von über CHF 83'000.- durch die Versicherung (Urteil 4A_491/2023 vom 26. Februar 2024, insb. Erw. 6).

Der Knackpunkt: Meldepflicht auch bei Arbeitsversuch

Was der Versicherte als „Arbeitsversuch“ deklarierte, wurde vom Gericht nicht als solches anerkannt – jedenfalls nicht im rechtlich relevanten Sinne. Entscheidend war, dass für den betreffenden Samstag eine volle Arbeitsunfähigkeit ärztlich attestiert war und dennoch eine faktische Arbeitsleistung erbracht wurde. Gemäss Bundesgericht ist es Sache der Versicherung – nicht des Versicherten – zu beurteilen, ob ein solcher Einsatz leistungsrelevant ist. Die Mitteilungspflicht gemäss Art. 39 VVG bestand somit unabhängig vom Umfang oder Zweck der Arbeit.

Selbst ein kurzer Arbeitseinsatz kann zu einer Reduktion des Taggeldanspruchs führen. Das Gericht bekräftigte, dass auch ein Arbeitsversuch mitgeteilt werden muss. Der Arzt hatte dies unterlassen und somit einen wesentlichen Einfluss auf die Leistungspflicht der Versicherung ausgeübt.

Betrugsvorwurf und subjektive Täuschungsabsicht

Das Gericht kam zum Schluss, dass nicht nur die objektiven Voraussetzungen eines Leistungsausschlusses nach Art. 40 VVG erfüllt waren, sondern auch die subjektive Täuschungsabsicht. Das Verschweigen der Tätigkeit geschah gemäss Gericht mit dem Ziel, weiterhin das volle Taggeld zu erhalten. Es reichte nicht, sich darauf zu berufen, die Taggeldabrechnungen nicht persönlich gelesen oder den konkreten finanziellen Vorteil nicht direkt gespürt zu haben – der faktische Zusammenhang zwischen Arbeitsleistung und Versicherungsleistung war offensichtlich.

Der geringe Umfang spielt keine Rolle

Dass es sich nur um einen einzigen Tag und lediglich um ca. 10 % Arbeitsleistung handelte, wurde vom Bundesgericht zwar zur Kenntnis genommen, aber als rechtlich unerheblich eingestuft. Der Verschweigevorgang an sich reichte aus, um das Vertrauensverhältnis zur Versicherung nachhaltig zu beschädigen. Die Argumentation, dass es keinen signifikanten Vorteil brachte oder der Testeinsatz des Arztes lediglich der Patientenbindung diente, vermochte das Gericht nicht zu überzeugen.

Fazit: Transparenz ist Pflicht

Der Fall zeigt in aller Deutlichkeit, wie engmaschig das Versicherungsvertragsgesetz aufgestellt ist und welche Erwartungen an die Mitwirkungspflicht von Versicherten gestellt werden. Selbst gutgemeinte oder marginale Abweichungen von den vertraglich vereinbarten Bedingungen – etwa in Form eines ungemeldeten Arbeitstags – können als arglistig bewertet werden und zum vollständigen Verlust des Versicherungsschutzes führen. Wer auf Nummer sicher gehen will, meldet jeden Arbeitsversuch proaktiv und schriftlich.